Ein breites Grinsen zwischen bunte-Tüte-Gefühlen und schwarze-Lunge-Gewissensbissen
Ich liebe Kioske. Inzwischen nenne ich sie nur noch selten so, weil in Österreich heißen sie ja „Trafik“, aber meiner Liebe tut das keinen Abbruch.
Wenn ich eine Trafik betrete, denke ich fast immer an „Schulte-Matler“. So hieß die erste Trafik, an die ich mich bewusst erinnere. War eine ganze Weile von meinem Zuhause entfernt, ich habe den Fußweg aber gerne in Kauf genommen. Mit DM 5,- in der Tasche warst du da der König oder die Königin. Dann ging sich neben der übervollen bunten Tüte noch ein Kratzeis aus (ich glaube, jetzt habe ich zum allerersten Mal den Focus verlinkt). Oder irgendein anderer Zuckerramsch, der dringend sein musste. Kürzlich habe ich „Pop Rocks“ wiederentdeckt – rosafarbene Kaugummi-Kieselsteine, die im Mund knistern. Heute kriege ich Sodbrennen, wenn ich nur daran denke, aber damals halt ein Hochgefühl.
Bei Schulte-Matler hat alles, wirklich alles, nach Zigarette gerochen oder geschmeckt. Vermutlich der Grundstein für meine anhaltende Nikotinlust. Wenn ich also heute eine Trafik betrete, habe ich nicht nur bunte-Tüte-Gefühle, sondern auch schwarze-Lunge-Gewissensbisse. Der Stress treibts rein, rede ich mir ein. Deswegen sind meine Trafikbesuche auch selten ausgiebigig. Schnell rein und raus und nicht mehr dran denken.
Eine Trafikantin schafft es aber immer wieder, mich aus diesem Dunst herauszuholen. Wenn sie Dienst hat, läuft Swing- oder Jazzmusik. Sie lächelt so, dass ich es ihr abkaufe, begrüßt mich mit einem kräftigen „Na hallo!“ oder „Grüß Gott!“ und sie lässt sich Zeit. Da gibts kein Gehudel und kein Hopplahopp. Manchmal erzählt sie vom Tagesgeschehen. Wenn man Zeit und Lust hast, gerne auch länger. Wie ein Best-Of aller Zeitungen und Illustrierten, die in der Trafik ausliegen.
Mein absolutes Highlight ist der Akt des Bezahlens. Ab € 10,- könnte man mit Karte bezahlen, ich habe aber immer Bargeld dabei. Konkreter: Ich habe Münzen dabei.
„Oh, der Silber-Goldene!“, sagt sie, wenn ich ihr eine 2-Euro-Münze in die Hand drücke. „Und hier das Goldstück“, wenn sie mir z.B. eine 10-Cent-Münze retour gibt. Sie hat für jeden Taler und jeden Schein einen Namen und ich liebe sie alle. Die Freude, mit der sie das durchzieht, ist ansteckend.
Wenn wir uns mit einem donnernden „Einen schönen Tag noch!“ verabschieden, habe ich jedes Mal ein breites Grinsen im Gesicht. Sollte ich den Irrsinn mit den Kippen endlich sein lassen, werde ich die Trafikantin trotzdem besuchen. Kratzeis hat sie nicht im Angebot, aber vielleicht kaufe ich mir Rubbellose. Oder Groschenromane – Verzeihung: Kupferstückromane.