Eine Liebeserklärung an das KiStL Theater in Graz
Ich bin Grazer. Meine erste Heimat seitdem ich in Österreich lebe, wird immer Heimat bleiben. Egal, wo ich hingehe. Dass eins meiner Grazer Herzensstücke jetzt kurz vorm Abriss steht, schmerzt.
Als meine Stammkneipe Schillerhof vor ein paar Jahren dichtgemacht hat, war ich traurig. So viele Goldmomente und liebgewonnene Bekanntschaften für immer im Erinnerungskasten eingemottet. Ok, Kneipen gibt es viele und wenn ich Graz besuche, werde ich mich auch woanders wohlfühlen. Bier, Zuckeratmosphäre und offene Menschen sind keine Mangelware in Graz. Wirklich gute Schnittchen schon. Zumindest meiner Meinung nach. Die besten Schnittchen habe ich immer im KiStL Theater bekommen. Brigitte und ihre Helferinnen haben sich beim Schmieren echt ins Zeug gelegt. Liebe in jedem Gurkerl. Dazu ein kleines Bierli und ein Atemzug altes Gemäuer. Jeder Blick durch den winzig kleinen Theatersaal ist eine Zeitreise. Die Uraltsessel, die verwitterte Wandmalerei, der schwere Vorhang und die knarzenden Bodendielen – Zeugen längst vergangener Tage und Rahmen für ein einzigartiges Theatererelebnis.
Das KiStL Theater in einem Hinterhof der Rechbauerstraße war nach dem zweiten Weltkrieg Rumpelkammer für die Städtischen Bühnen. 1989 hat die Schauspielerin Sonja Dohnalek dem Gebäude Leben eingehaucht. Ihre Mission: ein Hinterhoftheater mit unbeschwerten, heiteren Stücken. 2 Jahre später dann Premiere mit „Arsen und Spitzenhäubchen“. Graz fands geil und kam weiter zu Besuch. Heute sind die Komödianten in St. Leonhard ein „Geheimtipp der steirischen Theaterszene“. Das sagen zumindest die KiStL Verantwortlichen über sich selbst. Ich kann das unterschreiben. Als ich 2008 das KiStL kennenlernen wollte, bin ich geschätzte fünf Mal an der Einfahrt zum Hinterhof vorbeimarschiert. Geheimlocation also auf jeden Fall.
Der Direx der freien Waldorfschule Graz, selbst leidenschaftlicher KiStL Schauspieler, hat mich damals in diese neue fremde Welt eingeladen. „Ich drücke den Altersschnitt um mindestens 30 Jahre“, war mein erster Gedanke als ich ein paar Ensemblemitglieder kennengelernt habe. Es hat dann nicht lange gedauert bis ich mich in die seniorige Bühnenbande verliebt habe. Da war so viel Herz und Leidenschaft im Spiel. Mitreißend. Klar war ich happy als ich dann zum ersten Mal im KiStL auftreten durfte. „Schöne Geschichten mit Mama und Papa“. Als Riccardo, ein ehrgeiziger und sportlicher Typ, musste ich meinen Papa zur Vernunft bringen und bin natürlich gescheitert. Weil Papa verliebt. Da setzt der Verstand aus.
„Mission erfüllt“, habe ich mir gedacht. Das Publikum ging unbeschwerter und heiterer nach Hause als sie gekommen sind. Und weniger hungrig. Weil Schnittchen. Ich habe mich rundum wohlgefühlt. Als wären da tatsächlich lauter Mamas und Papas, die mich unzuverlässigen Hansdampf unter ihre Schauspielfittiche nehmen. Ich musste viel lernen und habe viel gelernt. Immer mit Unterstützung des ganzen Teams. Wenns gekracht hat, hats gekracht und danach wars wieder gut.
Zwei Stücke durfte ich dann noch mitspielen. Meine Lieblingsrolle war der unbeholfen dickliche Verbrecher aus „Ladykillers“. Kuchen mampfen auf der Bühne, zwischendurch dösige Sprüche schieben und dann mit Licht-An-Licht-Aus-Spezialeffekt an einem Stromschlag sterben. Toll. Das Ensemble war zu diesem Zeitpunkt schon deutlich gewachsen. Es kamen auch jüngere Spieler dazu. Immer bunter und vielfältiger wurde die kleine Hinterhoffamilie. Mittlerweile hat eine damalige Schauspielkollegin die Organisation des Theaters übernommen und derbe frischen Wind reingebracht. Immer, wenn ich ein neues Stück mit neuen Gesichtern in meinem Facebookstream entdecke, denke ich dankbar zurück und freue mich, dass dieses Kulturgut weiterlebt.
Jetzt steht der letzte Vorhangfall kurz bevor. Das KiStl könnte abgerissen werden, einem Rad- und Gehweg weichen, der zwei Straßen miteinander verbindet. Die Vorstellung bricht mir das Herz. Ich hoffe inständig, dass es nicht soweit kommt und habe die entsprechende Online-Petition sofort unterschrieben. Wer auch immer das hier liest, hat mitunter nicht so eine enge Verbindung mit dem KiStL. Vielleicht sogar gar keine. Vielleicht liest das hier aber jemand, der weiß, wie es ist, ein Herzenszuhause zu verlieren. Eines, in dem gelacht und gebrüllt wurde. Eines, in dem viel Liebe und Familie war.